Der Abschluss einer fünfjährigen Arbeit an seinem Kino-Dokumentarfilm DER ROTE BERG KOMPLEX (siehe Foto) stellt für den Regisseur Timo Müller eine Zäsur dar und das Stipendienformat der IKF eröffnet ihm eine Experimentierphase: Hier kann er sich von den Strukturen und Vorgaben des Kinofilms distanzieren und sich künstlerischen Methoden und Mitteln jenseits des Mainstreams zuwenden – inhaltlich wie auch formal-gestalterisch.
Für seine neueste Arbeit, deren Recherchephase durch die IKF unterstützt wird, bedient er sich einer Geschichte, die ihn seit Jahren nicht mehr loslässt: Im Sommer 2010 taucht eine Frau aus Herdecke an einer einsamen Tankstelle in Andalusien auf. Orientierungslos. Dehydriert. Das Gesicht voller blauer Flecken und Kratzer, der Kiefer gebrochen. Unter Schock, kann sich die Frau an nichts erinnern. Irgendwann erwähnt sie jedoch, dass sie einen fünfjährigen Jungen dabei hatte. Bald taucht ein defekter Opel mit dem Kennzeichen EN auf. Tage später wird in einer Ruine in der Nähe eines Stau-Sees im gleichen Gebiet ein toter Fünfjähriger gefunden; neben ihm eine leere Schachtel mit Schlaftabletten. Dies ist der Ausgangspunkt Wenige Jahre später: In einer Hütte an einem einsamen Strand in Nordschweden wird eine Frauenleiche mit verstümmeltem Gesicht gefunden. Außerdem zwei Pässe auf den Namen der Frau aus Herdecke. Es wird nie geklärt, was passiert ist.
Wir blicken dem Ergebnis mit Spannung entgegen, in der Zwischenzeit kann man sich bisherige Arbeiten von Timo Müller auf seiner Website ansehen.
SMS Herdecke
Anlass zu SMS Herdecke war eine, wie Timo Müller selbst beschreibt, “merkwürdige“ und unvorhersehbare Verquickung zwischen Privatem und Künstlerischen Sein. Ursprünglich hätte das Projekt mit dem Arbeitstitel Herdecke, Tabernas, Byske den Künstler an eben diese Orte führen sollen – eine Reiseroute vorgegeben von einem Kriminalfall. Die Wüste Andalusiens und den Ort in Schweden erreichte er jedoch nicht. Schicksalhaft wurde hingegen Herdecke, der ihm bis dahin fremde (Ausgangs-) Ort seiner Reise, zu einem sehr persönlichen. Nach einem frühen Blasensprung in der 31. Schwangerschaftswoche, kommt seine Frau als Patientin in das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke. Der Künstler und seine Frau kommunizieren in ihrer besonderen Notlage über Wochen per SMS. Mehrere Hundert Kurznachrichten entstehen. Diese dehnen sich in SMS Herdecke zu einem spröden digital-auditiven “Briefwechsel“.
Viele Menschen tragen mittlerweile alle möglichen zwischenmenschlichen, persönlichen, emotionalen Dinge über digitale Kanäle aus. Was macht das? Wie ändert das unseren Umgang mit z.B. den Krisen des Lebens?
SMS Herdecke ist Dokument unserer Zeit und wird gleichzeitig zum Nachdenken darüber.